Das Literaturzentrum ist eine Einrichtung der Estnischen Akademie der Wissenschaften als öffentlich-rechtlicher Forschungsorganisation, die 1993 auf der Grundlage der Literaturabteilung des Instituts für Sprache und Literatur der Akademie der Wissenschaften und des Friedebert-Tuglas-Hausmuseums, das Teil desselben Instituts war, gegründet wurde.

Es handelt sich um eine Institution der internationalen Literatur- und Kulturforschung, deren Hauptaufgabe die komplexe Erforschung der gesamten estnischsprachigen und mehrsprachigen deutschbaltischen literarischen Kultur ist, die früher in Estland gepflegt wurde, sowie deren theoretische Modellierung, welche den historischen baltischen und später estnischen literarischen Raum auch im internationalen Wissenschaftsbild sichtbar, interessant und vergleichbar mit anderen Räumen macht.

 

Hauptrichtungen der Forschungsarbeit

  • Erforschung der baltischen und estnischen literarischen Kultur in einer breiten Zeitperspektive, von den lateinischen und deutschen Chroniken des 13. Jahrhunderts bis hin zu Werken des beginnenden 21. Jahrhunderts.
  • Erforschung der estnischen Literatur vom 19. bis zum 21. Jahrhundert, die anfangs Teil des deutschbaltischen literarischen Raums war, sich aber später in einer bewussten ideologischen und ästhetischen Opposition weiterentwickelte.
  • Erforschung der estnischen Literaturkultur im globalen Maßstab. Inwieweit die Entstehung der estnischen Exilkultur die geistige Globalisierung der estnischen Kultur verstärkte und inwieweit sie andererseits die nationale Abkapselung förderte, ist eine Hauptfrage, aus der sich viele andere ergeben.
  • Erforschung des Modernisierungsprozesses der estnischen Kultur zu Beginn des 20. Jahrhunderts, der zu einer intensiven Übertragung westlicher kultureller Einflüsse in das estnischsprachige Medium führte.
  • Historische Analyse der estnischen Literatur im Kontext des baltischen Literaturraums.
  • Erforschung genreübergreifender Texte. Neben belletristischen und dramaturgischen Texten untersucht das Literaturzentrum verschiedenste Formen des historiographischen, philosophischen, publizistischen, pädagogischen und alltagskulturellen Schaffens.
  • Entwicklung einer theoretischen Basis für interdisziplinäre Literatur- und Kulturforschung.

 

Das Literaturzentrum veröffentlicht Originalforschungs- und Quellenmaterialien zu estnischer Nationalliteratur und humanitärem Schrifttum, unterhält Bücher- und Kunstsammlungen von historischem Wert, organisiert Tagungen, Ausstellungen und andere Veranstaltungen.

Das Museum des Literaturzentrums verwaltet den Nachlass von Friedebert Tuglas, den dieser der Estnischen Akademie der Wissenschaften vermacht hat. Tuglas hatte den Wunsch, in seinem Haus ein Hausmuseum und Forschungszentrum einrichten. In diesem Haus in Nõmme lebte aber auch das Schriftstellerehepaar Marie Under und Artur Adson, bevor sie ins Exil gingen, und heute befindet sich dort das Museum des Literaturzentrums. Obwohl sich das Literaturzentrum von Anfang an nicht allein mit der Bewahrung des schriftstellerischen Erbes, sondern auch mit der Erforschung der Kultur im weitesten Sinne beschäftigt hat, ist das geistige und materielle Erbe von Under, Adson und Tuglas nach wie vor der Eckpfeiler der Tätigkeit des Literaturzentrums. Gegenwärtig verwaltet das Museum neben der Bücher- und Kunstsammlung von Tuglas sowie der Bücher- und Kunstsammlung von Artur Adson und Marie Under auch die Kunstsammlung der Estnischen Kulturstiftung in den Vereinigten Staaten, die Buch- und Kunstsammlung Paul Reets.